Artikel vom: 26.02.2023
Das lange Warten hat ein Ende – endlich ist es wieder soweit!
Aus dem Horst-Dohm-Eisstadion hören wir wieder die vertrauten Geräusche.
Ich kann es selbst kaum fassen, Eisspeedway in Berlin!
Die vergangenen Jahre bis heute haben den Eisspeedwaysport viel abverlangt: Absage vieler Rennen wegen der Corona-Pandemie, Energiekosten, keine Teilnahme unserer russischen Eiscowboys, die wir sehr vermissen. Auch die Umbauarbeiten/Schliessung des Eisstadion Wilmersdorf durch das Bezirksamt, weswegen im letzten Jahr das Rennen abgesagt werden musste, machte es nicht einfacher. Aber es ist geschafft, wir können nach vorne schauen und freuen uns riesig auf ein tolles Rennwochenende! Nun schweifen meine Gedanken ab und ich schwelge in Erinnerungen … Es war sehr kalt in Berlin im Februar 1983. Heute weiss ich ehrlich gesagt nicht mehr, wieviel Klamotten ich an hatte. Nur ein Satz blieb mir im Ohr: "Sag bitte rechtzeitig Bescheid, wenn Du auf die Toilette musst." Spannung lag knisternd in der Luft, gemischt mit Pommes- und Glühweinduft. Schon bei der Fahrervorstellung Jubel, Sprechgesänge und eine Euphorie, die ich so nur noch einmal live erleben dürfte. Im September 1983 als Egon Müller in Norden Speedwayweltmeister wurde. Start zum ersten Lauf, Heat für Heat folgte und das Unglaubliche passierte, Deutschland mit Chancen auf den WM-Titel.
In der Bahndienstpause holte ich mir Pommes und nickte freudestrahlend, wenn einer mich fragte, ob er sich ein Pommes nehmen darf. Dafür bekam ich dann ein paar Gummibärchen oder ein Schoki, auch ein guter Tausch und kam bei unserem Platz in der Startkurve mit halbleerer Schale Pommes an. Die Leute feierten, das hatte keiner so erwartet. Es ging weiter; Klaus Witt, damaliger Sprecher, schrie nachher regelrecht in Mikrofon wenn Helmut Weber und der "Eismax" Max Niedermaier ans Startband kamen: "winken Sie mit ihren Programmen, treiben Sie sie voran, feuern Sie die Jungs an, die kriegen das mit!" Die kalten Hände und Füsse waren wie weggeblasen, der Glühwein in der Thermoskanne inzwischen eingefroren. Dann stand es fest: Deutschland ist Teamweltmeister! Mein Vater und ich versuchten irgendwie ins Innenfeld zur Siegerehrung zu kommen. Ausgangs Startkurve fanden wir ein Weg und krabbelten über die Strohballen. Es war Wahnsinn, fast wie ein Rausch. Nach Hause wollte keiner, ich auch nicht. Später Zuhause angekommen, wurden die Hände und Füsse ersteinmal unter kaltes Wasser gehalten zum Auftauen. Wenn ich daran zurückdenke, kommt es mir vor, als wäre es gestern gewesen, obwohl ich gerade mal 9½ war. Die, ja man kann es so sagen, die Liebe zu diesem Sport hat mich nie wieder losgelassen. Auch habe ich viele Stürze gesehen, Schlimmes erlebt, aber die Faszination, die diesen Sport ausmacht, ging nie verloren. Man kann Eisspeedway auch nicht mit anderen Motorsport vergleichen. Auf der Bahn sind die Fahrer Gegner mit Respekt. Trotzdem leiht ein Fahrer einem anderen Fahrer auch mal die Maschine, wenn nichts mehr geht, hilft aus, obwohl sie Gegner sind.
Die Eisspeedwayszene ist eine große Familie, man steht zusammen. Daran hat sich in den ganzen Jahren nichts geändert. Und wer dann am Ende gewinnt; ich gönne es jedem Fahrer, egal welche Nation. Zum Schluss muss ich doch noch kurz sachlich werden, auch zum Thema Klima: es gibt keinen sauberen Sport als den Bahnsport. Die Maschinen
(ein Zylinder, 4-Takt, 500 ccm, 2 Gänge) fahren mit Methanol, das geruchslos verbrennt und werden geschmiert mit Bioöl. Eine Bremse sucht man vergeblich. Es wird mit dem Motor gebremst, einzig allein durch das Gas geben und wegnehmen.
Bei einem Sturz wird die Zündung durch einen sogenannten "Totmacher", eine Reissleine, die der Fahrer am Handgelenk hat, unterbrochen. Die 28 mm langen Spikes am Vor- und Hinterrad (insgesamt ca. 350, die jeder Fahrer anders setzt) ermöglichen so das Fahren auf dem Eis und die extreme Schieflage in den Kurven.
Lassen Sie sich dieses Highlight nicht entgehen! Seien Sie dabei, wenn am
03. und 04.03.2023 endlich wieder die Motoren dröhnen und sehen Sie sich den heißen Ritt auf dem Eis an. Ich bin mir sicher, hat das Virus Eisspeedway Sie ersteinmal gepackt, lässt es Sie nicht mehr los. Ich weiß, wovon ich rede … mich hat es im wahrsten Sinne des Wortes „eiskalt" erwischt ... im Februar 1983.
Text: Anke Claassen